Honda CBR 600 RR​: Sportliches Comeback​

Große Überraschung auf der Eicma: Die Honda CBR 600 RR kommt zurück. Mit ihrem hochdrehendem Reihenvierzylinder dürfte sie auf der Rennstrecke eine Macht sein.

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Honda CBR 600 RR

(Bild: Honda)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Auf der Motorradmesse Eicma (9. bis 12. November 2023) gibt es viele neue Modelle zu bewundern, doch mit einer Rückkehrerin hatten wohl die wenigsten Besucher gerechnet: Honda bringt den Supersportler CBR 600 RR zurück auf den europäischen Markt. Unter Sportfans dürfte die Nachricht Begeisterung auslösen, schließlich ist das ein Bekenntnis vom größten Motorradhersteller der Welt, dass er an ein Wiedererstarken der Sportmotorradklasse glaubt.

Honda hatte 2017 zum Bedauern der Sportfahrer die CBR 600 RR in Deutschland aus dem Programm genommen. Sie war zur Ikone gereift, ihre Wurzeln reichten bis zur CBR 600 F zurück, die 1986 eine neue Ära im Sportmotorradbau eingeläutet hatte. Die CBR 600 F und die ab 2003 gebaute CBR 600 RR errangen zahlreiche Siege, darunter acht WM-Titel in der Supersportklasse, und verkaufte sich ausgesprochen gut. Die 600er Honda erarbeitete sich einen hervorragenden Ruf, denn sie war nicht nur schnell, sondern auch zuverlässig und zuletzt leistete ihr Vierzylinder 120 PS bei 13.500/min. Doch die Verkaufszahlen aller 600er-Supersportler befanden sich zu Beginn der 2010er Jahre im steilen Sinkflug, weil sie zu teuer wurden und preislich zu nah an die 1000er-Superbikes heranrückten. 2014 fiel die CBR 600 RR deshalb das erste Mal aus dem Programm, 2016 versuchte sie ein Comeback, das jedoch schon ein Jahr darauf scheiterte.

Honda CBR 600 RR (8 Bilder)

Die Honda CBR 600 RR feiert ihr überraschendes Comeback. Die Sportfans wird es freuen, denn sie ist mit 599 cm3 Hubraum die einzige echte Vierzylinder-Supersportlerin auf dem Markt.
(Bild: Honda)

Jetzt ist sie wieder da. Wobei Honda die Weiterentwicklung und Produktion der CBR 600 RR nie eingestellt hat, sie aber die letzten Jahre nur auf dem japanischen und nordamerikanischen Markt verkauft hat. Für 2024 wurde sie gründlich überarbeitet und erhielt ein neues Design. Man muss schon genau hinsehen, um sie von der größeren CBR 1000 RR-R Fireblade unterscheiden zu können. Am einfachsten ist ein Blick auf den Auspuff zu werfen, denn die 600er hält eisern am Underseat-Auspuff fest, während das Superbike einen seitlichen Endschalldämpfer trägt. Das Design der neuen CBR 600 RR ist absolut gelungen, die aggressive Linienführung passt zu ihr. Freundlich hingegen wirken ihre schmalen LED-Leuchten, die an den Enden hochgezogen sind. Zwei kleine Winglets erzeugen Abtrieb bei hohen Geschwindigkeiten.

Für Stabilität auch unter härtesten Bedingungen auf der Rennstrecke sorgt ein Aluminium-Brückenrahmen. Die Unit-Pro-Link-Schwinge besteht ebenfalls aus Aluminium und misst vom Schwingendrehpunkt bis zur Hinterachse 569 mm. Die relativ lange Schwinge erlaubt einen sehr kurzen Radstand von 1370 mm. In Verbindung mit einem steilen Lenkkopfwinkel von 66,0 Grad und einem Nachlauf von 100 mm verspricht die CBR 600 RR ausgeprägte Handlichkeit. Eine voll einstellbare Big-Piston-Gabel von Showa arbeitet vorne auf 120 mm Federweg, hinten kommt ein ebenfalls voll einstellbares Federbein von Showa mit 128 mm Federweg zum Einsatz. Zwei radial montierte Vierkolben-Bremssättel von Tokico verzögern über 310 mm große Bremsscheiben das Vorderrad, hinten unterstützt ein Einkolben-Bremssattel mit 220-mm-Bremsscheibe.

Der 599-cm3-Reihenvierzylinder leistet 121 PS bei 14.250/min und 63 Nm bei 11.500/min. Der kurzhubige Motor mit einem Bohrung-Hub-Verhältnis von 67 x 42,5 mm verfügt über einen Drosselklappen-Durchmesser von 44 mm. Die überarbeiteten Ansaugkanäle sorgen für eine optimierte Durchflusskapazität und auch die Ventilsteuerung wurde für 2024 angepasst: Die Einlassventile schließen um fünf Grad später, während die Auslassventile um fünf Grad später öffnen. Der Wassermantel im Zylinderkopf wurde möglichst eng an die Kerzenlöcher und Auslassventilsitze gelegt, um schädliche Temperaturspitzen sicher vermeiden zu können. Stolz verkündet Honda ein Gewicht von 193 kg bei vollem 18-Liter-Tank. Honda hat noch nicht die Fahrleistungen verraten, aber über 250 km/h dürfte als gesetzt gelten, zumal die CBR 600 RR mit einem cW-Wert von 0,555 den niedrigsten in der Supersportklasse vorweisen kann.

Die Sechs-Achsen-IMU sammelt 100 Mal pro Sekunden Daten vom gesamten Motorrad und steuert die neunstufige und auch deaktivierbare Schlupfregelung, die dreistufige und abschaltbare Wheelie-Kontrolle und das schräglagensensitive ABS. Die CBR 600 RR bietet drei vorinstallierte Fahrmodi "Fast", "Fun" und "Comfortable" sowie zwei frei konfigurierbare Modi. Die Motorleistung ist in fünf Stufen einstellbar, die Motorbremse in drei Stufen und ein Quickshifter gehört zum Serienumfang. Eine "Rear Lift Control" genannte Steuerung verhindert ein Abheben des Hinterrads bei harten Bremsmanövern. Zudem unterbindet eine Assist-Anti-Hopping-Kupplung ein stempelndes Hinterrad beim schnellen Runterschalten, gleichzeitig verringert sich die Handkraft an der Kupplung um 32 Prozent.

Honda CBR 600 RR (7 Bilder)

Eine voll einstellbare Big-Piston-Gabel von Showa führt das Vorderrad. Die Bremsen stammen vom japanischen Spezialisten Tokico.
(Bild: Honda )

Einstellbar sind die Assistenzsysteme auf einem TFT-Display, der sich in den Ansichten "Street", "Circuit" und "Mechanic" darstellen lässt. Für den Rennstreckeneinsatz lässt sich ein Shiftlight einstellen, das über fünf nacheinander aufleuchtende LEDs den Schaltpunkt anzeigt. Dazu gesellen sich ein Lap-Timer, Rundenzähler und eine Bestzeiten-Anzeige. Rundum wird die CBR 600 RR von LEDs illuminiert. Bei starker Verzögerung wird die Notbremssignal-Funktion aktiviert. Gegen Langfinger schützt eine serienmäßige Wegfahrsperre.

Den Preis der neuen CBR 600 RR hat Honda noch nicht veröffentlicht, er dürfte aber vermutlich bei deutlich über 13.000 Euro liegen. Es birgt ein gewisses Erfolgs-Risiko, wieder einen echten Supersportler anzubieten. Aber da die vollverkleideten Sportler gerade eine Renaissance erleben, wenn auch mit Großserienmotoren bestückt, die wesentlich weniger Leistung als die CBR 600 RR haben, können sich vielleicht wieder mehr Käufer für die nicht ganz billigen Supersportler erwärmen. Zumal auch Kawasaki seine ZX-6R wieder ins Programm aufgenommen hat.

Bis vor Kurzem war die Kawa mit 636 cm3 kein "echter" Supersportler, deren Hubraum bei einem Vierzylinder in der WM bzw. nationalen Rennen auf 600 cm3 begrenzt ist. Jetzt kann sie als "Supersport next Generation" eingruppiert werden. Es ist auf jeden Fall sehr begrüßenswert, dass Honda ein Bekenntnis zum Sportmotorrad abgegeben hat und vielleicht dadurch auch andere Hersteller motiviert, wieder Supersportler zu bauen.

Hersteller Honda
Modell CBR 600 RR
Motor und Antrieb
Motorart Otto
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 599
Leistung in kW (PS) 89 (121)
bei U/min 14.250
Drehmoment in Nm 63
bei U/min 11.500
Antrieb Dichtringkette
Getriebe Sequenzielles Schaltgetriebe mit Schaltassistent
Gänge 6
Fahrwerk
Rahmen Aluminium-Brückenrahmen
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel
Radaufhängung hinten Aluminium-Zweiarmschwinge mit progressiv angelenktem Feder-Dämpferbein
Federweg vorne/hinten in mm 120/128
Reifengröße vorn 120/70-17
Reifengröße hinten 180/55-17
Bremsen vorn Doppelscheibe, 310 mm, Festsättel
Bremsen hinten Einzelscheibe, 220 mm
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1370
Nachlauf in mm 100
Lenkkopfwinkel in Grad 66,0
Gewicht trocken in kg 193
Tankinhalt in Litern 18
Sitzhöhe in mm 820

(fpi)