Abgeschaltetetes Weltraumteleskop eRosita: Größte Röntgenkarte veröffentlicht

Das Weltraumteleskop eRosita revolutioniert die Röntgenastronomie. Nun wird die erste komplette Datensammlung veröffentlicht. Das Gerät selbst bleibt aber aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen
Geblich-orange Karte des Himmels und eine mit vielen einzelnen Punkten

eRositas Himmelskarte, einmal von großflächigen Strukturen (links) einmal mit punktförmigen Röntgenquellen

(Bild: MPE, J. Sanders für das eROSITA-Konsortium)

Lesezeit: 3 Min.

Ein deutsches Forschungskonsortium hat die größte jemals veröffentlichte Sammlung von astronomischen Röntgenquellen veröffentlicht. Zusammengetragen wurden die mit dem Röntgenteleskop eRosita, das auf dem russischen Satelliten Spektrum-RG jahrelang mit einer Himmelsdurchmusterung im Röntgenspektrum beschäftigt war. Allein in den ersten sechs Monaten nach der Inbetriebnahme habe das Gerät mehr Röntgenquellen entdeckt, als in 60 Jahren Röntgenastronomie davor. Die dabei gesammelten und jetzt veröffentlichten Daten decken die Hälfte des Himmels ab, enthalten sind 900.000 einzelne Quellen. Mit 710.000 Objekten handelt es sich dabei größtenteils um supermassereiche Schwarze Löcher, also aktive Galaxienkerne, außerdem 180.000 aktive Sterne, 12.000 Galaxienhaufen und eine "kleine Anzahl" exotischer Quellen. Dazu gehören etwa Überreste von Supernovae und Pulsare.

Die Daten stammen jetzt vom eROSITA-Konsortium, das vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) geleitet wird. Anders als andere Röntgenteleskope hat dessen Gerät nicht nur einzelne Objekte im Blick, sondern auch "das große Ganze", wie es die Forschungsgruppe ausdrückt. In der ersten Beobachtungsphase, dessen Ergebnisse der Forschungsgemeinschaft nun zur Verfügung gestellt werden, hat das Teleskop demnach im empfindlichsten Bereich der Detektoren (0,2-2 Kiloelektronenvolt/keV) 170 Millionen Röntgenlichtteilchen entdeckt – das sei ein Rekord. Daraus seien dann die Karten und Datensammlungen erstellt worden. Danach hat das Teleskop seine Durchmusterung bis zum Februar 2022 fortgesetzt, die dabei gesammelten Daten sollen in den kommenden Jahren publik gemacht werden.

Parallel zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Kampagne mit dem Namen eRosita All-Sky Survey Katalog (eRASS1) wurden jetzt außerdem fast 50 wissenschaftliche Artikel auf deren Basis eingereicht. Darin wird beispielsweise die Entdeckung von über 1000 Superhaufen aus Galaxien vorgestellt, aber auch die zweier neuer "quasi-periodisch ausbrechender" Schwarze Löcher. Überdies wurde untersucht, wie die Röntgenstrahlung eines Sterns Atmosphären von Exoplaneten beeinflusst. Die Gruppe hofft, dass auf Basis der veröffentlichten Daten viele weitere Arbeiten folgen und die Grenzen der Röntgenastronomie weiter verschoben werden. "Wir sind gespannt, was der Rest der Welt in den veröffentlichten Daten finden wird", meint MPE-Direktor Kirpal Nandra.

Während die Auswertung der Daten von eRosita also weiter vorankommt und Astronomen sowie Astronominnen begeistert, bleibt das Gerät selbst weiter stumm. Nachdem Russland mit dem umfangreichen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, haben die Verantwortlichen in Deutschland die Kooperation beendet und das Teleskop abgeschaltet. Russlands Raumfahrtagentur hat danach angedroht, eRosita ohne Zustimmung wieder aktivieren zu wollen. Dabei wäre eine Beschädigung des Instruments riskiert worden, hieß es vom MPE. Der Drohung sind aber keine Taten gefolgt, das Gerät ist weiterhin im Safe Mode und hat den wissenschaftlichen Betrieb nicht wieder aufgenommen. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse deuten an, was der Menschheit dadurch verloren geht.

(mho)