Hyundai Ioniq 5 im Test: Schnell geladen, unter idealen Bedingungen

Seite 2: Belegte, defekte und zugeparkte Ladesäulen

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Frustration löste im einwöchigen Testzeitraum die Infrastruktur aus. So waren an einem Sonntagnachmittag zwei Ladeparks (Autobahnen A7 und A2) mit je sechs Plätzen komplett belegt. Dass beim aktuellen Elektroauto-Bestand von weniger als 300.000 Fahrzeugen (insgesamt rund 48 Millionen Pkw in Deutschland) im Einzelfall bereits Schlange gestanden werden muss, ist erschreckend. Ein massiver zeitnaher Ausbau ist zwingend erforderlich.

Ladeinfrastruktur für Elektroautos

Zusätzlich muss konstatiert werden, dass manche Betreiber sich nicht um ihre Säulen kümmern, einige sind über Monate defekt. AC-seitig in Hamburg wiederum ist das Problem, dass die Ladeplätze faktisch als Parkplätze benutzt werden. Das mag gerade noch okay sein, wenn batterieelektrische Autos tatsächlich laden. Dass es die Hansestadt aber weiterhin erlaubt, an einer Säule mit einem E-Kennzeichen zu parken, ohne zu laden, ist ein Skandal. Der Boom hat innerhalb von kurzer Zeit dazu geführt, dass hier eine Verknappung entstanden ist, die das Leben mit Kabel schwer macht. Man sollte die Lage bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur kennen und sich der Konsequenzen für den Alltag bewusst sein.

Hyundai Ioniq 5 Details (8 Bilder)

Die Rückbank ist anders als beim VW ID.4 verschiebbar. Ein weiteres Plus des Ioniq ist, dass er 1,6 Tonnen Anhängelast bietet (VW: eine Tonne).
(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Zurück zum Hyundai Ioniq 5: Es gibt einige Kritikpunkte abseits des Antriebsstrangs, die genannt werden müssen. Ein funktioneller Mangel ist zum Beispiel, dass es keinen Heckscheibenwischer gibt. Das führt bei Regen in kürzester Zeit zur Nulldurchsicht. Beim Einparken kann das die Rückfahrkamera nicht wettmachen, denn sie liegt frei und verschmutzt ebenso schnell.

Der Sparzwang scheint auch an anderen Punkten durch. So rechnet das Navigationssystem langsam. Die Spracherkennung ist Mittelmaß. Die Fahrassistenzsysteme können nicht überzeugen. In Stichpunkten: Die Mittelspurführung regelt so nervös, dass man sie freiwillig ungenutzt lässt. Das ACC entspricht nicht dem aktuellen Stand; ein automatisches Wiederanfahren nach dem Stillstand wie bei Tesla oder VW gibt es nicht, und in langgezogenen Autobahn-Linkskurven mit einem Lkw auf der rechten Spur erkannte es mehrfach ein Hindernis auf der eigenen, linken Spur und verzögerte. Dass die automatische Übernahme von Tempolimits ("Autobahnassistent 2.0") nur rudimentär funktioniert, bestätigt das Bild.

Ein weiteres Detail ist das automatische Fernlicht, das nicht in jedem Fall schnell genug abblendet, wenn Gegenverkehr kommt. Außerdem ist die Lichtausbeute zwar gut, kann aber nicht mit den Matrix-Lichtern der Wettbewerber mithalten. Mag die Software zum Marktstart der VW ID.-Serie auch katastrophal gewesen sein, sie markiert inzwischen ein höheres Level als das des Hyundai.

Was den Hyundai Ioniq 5 für viele Interessenten attraktiv macht, sind andere Features: Die Rekuperation zum Beispiel lässt sich serienmäßig über die Schaltwippen vom widerstandslosen Gleiten bis zum One-Pedal-Drive verstellen. In der Topversion "Uniq" ist gegen 1500 Euro Aufpreis ein Solardach mit 205 Watt Leistung bestellbar. Für die gleiche Summe gibt es mehr kWp, wenn man ein Paneel aufs Hausdach schraubt? Stimmt. Nicht jeder rechnet ständig in Euro und Cent. Ab dem zweithöchsten Ausstattungslevel "Techniq", mit dem auch der Testwagen kam, ist zudem eine 230-Volt-Steckdose innen mit voller einphasiger Leistung enthalten.

Hyundai bietet vier verschiedene Ausstattungspakete vom Nacktmodell bis zum Uniq an. Sehr gut: Einige sehr sinnvolle Optionen sind nicht daran gebunden. So kann auch in der Basisversion eine Wärmepumpe und eine Batterieheizung (1500 Euro) geordert werden. Ohne Aufpreis beträgt übrigens die zulässige Anhängelast 1,6 Tonnen bei zwölf Prozent Steigung, während es im ID.4 nur eine Tonne ist. Und im Zubehörkatalog findet sich der sonst erst bei Uniq serienmäßige Vehicle-to-Load-(V2L)-Adapter, mit dem alles vom Rasenmäher bis zum elektrischen Campinggrill betrieben werden kann, für alle Ioniq 5. Der Preis beträgt 399 Euro – und weil dieses Teil mutmaßlich viele Käufer haben wollen, ist es zurzeit vergriffen.

Schön ist auch, dass der Konfigurator sofort die so genannte Innovationsprämie einberechnet. Wer ein Basismodell mit großer Batterie und Effizienz-Paket (Wärmepumpe und Batterieheizung) bestellt, liegt nach Förderung bei 37.030 Euro. Dafür gibt es viel Elektroauto mit innovativer 800-Volt-Plattform und hoffentlich irgendwann per Update einen perfekten Routenplaner. Zum Vergleich: Der VW ID.4 mit großer Batterie und Wärmepumpe bewegt sich in der gleichen Preisregion und kostet nach Abzug der Subventionen mindestens 36.335 Euro.

Der Testwagen in "Techniq"-Ausstattung ohne Allradantrieb beginnt vor Förderung bei 53.600 Euro. Wer den Allradantrieb mit der Topausstattung kombiniert, landet bei mindestens 60.750 Euro Bruttolistenpreis. In Deutschland werden viele Kunden vorsichtig sein, ob sie die Schwelle von 60.000 Euro überschreiten wollen, den ab dieser Marke liegt die Firmenwagensteuer nicht mehr bei einem Viertel, sondern der Hälfte des üblichen Prozents pro Monat.

Der Hyundai Ioniq 5 hinterlässt einen starken, aber auch zwiespältigen Eindruck. Der Alltag in diesem kraftvollen Elektroauto für Technikaffine ist höchst komfortabel, und so viel Platz findet man selten. Hinzu kommt die durchdachte 800-Volt-Plattform mit der höchsten Ladegeschwindigkeit in dieser Klasse. Der positive Gesamteindruck wird getrübt durch den relativ hohen Stromverbrauch und das in der Autoindustrie weit verbreitete Spardiktat, das an einigen Stellen sichtbar wird. Trotzdem werden all jene mit ihm glücklich werden, die ihn als Family Cruiser einsetzen, die vielleicht einen Wohnwagen ziehen wollen und die schlicht keine Lust haben, ein Tesla Model Y oder einen der MEB-Drillinge (V ID.4, Audi Q4 e-tron, Skoda Enyaq) zu bewegen. Für sie ist der Hyundai Ioniq 5 einfach nur viel Elektroauto fürs Geld.

Der Hersteller hat den Testwagen kostenfrei zur Verfügung gestellt und überführt. Der Autor hat die Fahrenergie bezahlt.